Weichspülerpornografie im Schottenrock

(Moning, Karen Marie: Der dunkle Highlander, Radioropa Hörbuch / TechniSat, Juni 2008, ISBN: 978-3836802574)

Chloe Zanders ist 28, studiert alte Sprachen und hegt, ausgelöst durch die Geschichten ihres schottischstämmigen Großvaters, eine Vorliebe für keltische Mythen und Artefakte. Sie lebt ein scheinbar beschauliches Leben in New York, dessen Hauptbestandteil die Arbeit in einem Institut ist. Man könnte daher annehmen, dass sie eine intelligente, selbständige Frau wäre, die mit beiden Beinen fest im Leben steht.

Doch dann lernt sie Daegus MacKeltar kennen; einen geheimnisvollen, fast unwirklich schönen Mann, der es sich in der Minute, in der er Chloes zum ersten Mal ansichtig wird, in den Kopf setzt, diese Frau zu verführen und sie zu seiner Gefährtin zu machen, damit sie ihm hilft, den Fluch zu überwinden, den er als Nebenfigur und Bruder des Haupthelden Drustan MacKeltar im vorhergehenden Roman "Die Liebe eines Highlanders" auf sich geladen hat. Demnach hat Daegus einen Pakt mit den Túatha Dé Danann (dem schottischen Feenvolk) gebrochen, um seinen Bruder zu retten. Danach haben die Seelen von 13 schwarzen Druiden von Daegus Besitz ergriffen. Sobald sie mächtig genug sein werden, könnte die Welt aus den Fugen geraten.

Wird also Daegus MacKeltar die richtigen Schriften finden, in denen alle Umstände des Pakts festgehalten wurden? Kann Chloe ihm dabei helfen, die Kontrolle über die schwarzen Mächte zu erlangen? Und wer oder was sind die ominösen Dragar? Die Beantwortung dieser Fragen ist für die Autorin Karen Marie Moning, die weitere Highlanderromane und eine ebenso sexlastige Vampirserie veröffentlicht hat, vermutlich ebenso nebensächlich gewesen wie eine spannende Handlung oder mehrdimensionale Charaktere zu entwerfen. Bei Daegus wird aus Chloe Zanders ein "Chloe-Mädchen", die sich naiv und trottelig wie ein Teenager verhält, der statt im 20. Jahrhundert scheinbar in einem sexuellen Vakuum aufgewachsen ist. Mit ihren 28 Jahren ist sie nicht nur noch Jungfrau, sondern hat auch noch nie selbst Hand an sich gelegt. Bereits der Anblick eines nackten Oberkörpers bringt sie derart aus der Fassung, dass sie nur noch stammeln kann. Die Sprecherin des 2008 bei Radioropa erschienen Hörbuchs unterstreicht diese Einfalt durch ein hohes Stimmchen, das fast ins Tonlose übergeht.

So bestehen denn zwei Drittel des Romans bzw. des Hörbuchs aus einem nicht enden wollenden Vorspiel aus Sexszenen mit einer anderen Frau, Gedanken an Sex, Träumen von Sex sowie einer Szene, in der Daegus Chloe im Flugzeug masturbiert und ihr den ersten Orgasmus ihres Lebens verschafft, bis er sie (endlich!) in einem Waldstück niederwirft und entjungfert. Ach, ja, zwischendurch reisen die beiden Protagonisten noch von New York nach Schottland, wo sie auf die Hauptcharaktere des Vorgängerromans, Drustan und Gwen, treffen, damit sich die Zielgruppe über das Wiedersehen und die thematischen Anknüpfungspunkte freuen kann. Dabei wird dem Leser die Einfallslosigkeit der Autorin erst richtig bewusst: Daegus und Drustan sind Zwillinge; darum natürlich beide hünenhaft und gut aussehend. Sowohl Gwen als auch Chloe sind eher zierliche Persönchen und mit Mitte 20 noch sexuell unerfahren.

Beinahe genauso einfach wie das Fliegen in einem Flugzeug ist die anschließende Reise der beiden mit Hilfe eines Steinkreises zu Daegus Vater in das 16. Jahrhundert, welches Moning irrtümlich als "Mittelalter" bezeichnet. Dort reiten sie ein wenig herum und bekommen eine geheime Kammer gezeigt, die man sie der Spannung halber auch hätte selbst suchen lassen können. In ihr befinden sich alte Schriften, die wichtige Hinweise auf die Möglichkeit der Erlösung vom Fluch geben sollen. Aber eigentlich ist das alles nebensächlich, denn diese Szenen sind doch nur lästige Unterbrechungen des Liebesspiels.

Die größte Bewunderung im Hinblick auf das Hörbuch muss man daher der Sprecherin entgegenbringen, die ihr Möglichstes versucht, die zahlreichen sexuellen Fantasien oder Sätze wie "Er war aufregend, wunderschön und multilingual" - die in ihrer Zusammensetzung oder Übersteigerung oft schon wieder lächerlich wirken - auszusprechen und auch noch mit Leben zu füllen. Unterstreicht die Sprechweise bei Chloe deren Einfältigkeit, wird Daegus in Szenen mit wörtlicher Rede zwischen Chloe und ihrem dunklen Highlander immer leicht gepresst und knurrend gesprochen, worin man eine Illustration der Tatsache sehen kann, dass Daegus stets gegen die mächtiger werdenden Druiden in seinem Inneren ankämpfen muss. Doch was auch immer die Sprecherin versucht, bereits nach einer von insgesamt zwölfeinhalb Stunden ist der Hörer aufgrund der Handlungsarmut Morpheus' Armen näher als den Hauptcharakteren, für die man weder Sympathie aufbringen noch mit ihnen mitfiebern kann. Da hilft es auch nicht, wenn die Autorin ständig wiederholt, wie gut Daegus aussieht, wie potent sein übergroßes Glied daherkommt oder was er mit welchen Stellen des weiblichen Körpers anstellen kann. Irgendwann hat schließlich jeder verstanden, dass der dunkle Highlander ein übermenschlich gut gebauter Sexgott ist.

Hinzu kommt, dass die Autorin nichts erklärt. Das Zeitreisen wird als Möglichkeit hingenommen, die zwar gefährlich sein kann, aber der Moment der Zeitreise wird bewusst außen vor gelassen, um ihn nicht beschreiben zu müssen. Was genau die Druiden in Daegus bewirken oder in welcher Hinsicht die ganze Welt gefährdet ist, erfährt der Leser/Hörer ebenfalls nicht. Andeutungen kann man nur entnehmen, dass sie ihm Magie zur Verfügung stellen. Es baut sich jedoch keine Spannung auf, weil man sich nicht um den Helden ängstigt, der im Grunde sowieso nur das Eine wollen muss, was Moning auch noch damit rechtfertigt, dass es ihm helfe, die Druiden unter Kontrolle zu halten. Im 16. Jahrhundert bewegen sich die Hauptcharaktere (besonders verwunderlich bei Chloe) ebenso selbstverständlich wie im 20. Jahrhundert, abgesehen von der Tatsache, dass Chloe angesichts neuer "alter" Gegenstände in jeder Szene fast überschnappt. Mit Recherchearbeit war dieser Roman jedenfalls nicht verbunden.

Diese Einfalls- und Spannungsarmut rechtfertigt Moning mehrmals, in dem sie in "Der dunkle Highlander" auf vorhergehende Werke oder die Vorzüge von Liebesromanen im Allgemeinen anspielt: "Wenn ich Realität will, dann sehe ich CNN." Nun verlangt von einem Liebes- oder Zeitreiseroman niemand "Realität". Dennoch sollte man sich als Leser mit den Personen und ihrer Liebe zueinander identifizieren können. Wenn die Helden in der Vergangenheit sind, muss es auch Unterschiede zur vorhergehenden Realität der Gegenwart und nicht nur einen Kulissenwechsel geben. Spannung resultiert hierbei aus der Wahrscheinlichkeit, aus der Limitierung der Möglichkeiten und einem drohenden Verlust. Diana Gabaldon hat das mit dem ersten Buch ihrer Highlandsaga ("Feuer und Stein") vorgemacht. Daher müssen sich nachfolgende Romane immer an ihr messen lassen.

Auch bei Gabaldon wird die Zeitreise mit Hilfe eines Steinkreises möglich. Nur ähnelt dieser keinem Beamer, den man ständig benutzen kann, sondern fungiert als Manifestation der Trennungslinie zwischen den Zeiten und den Protagonisten. Sie physisch zu übertreten, ist nur an mythologisch besonderen Tagen des Jahres möglich. Ein psychisches Überwinden bleibt in manchen Bereichen gänzlich versagt. In diesen Momenten springen Liebe und Vertrauen ein, damit es zu einer Annäherung zwischen den Charakteren kommen kann. Daraus resultiert bei Gabaldon Spannung und Tragik zugleich. Ihren Protagonisten glaubt der Leser auch, dass sich zwei erwachsene Menschen trotz aller Verständnisschwierigkeiten, die aus der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Jahrhunderten resultieren, sowohl geistig wie auch körperlich lieben. Was Moning hier abgeliefert hat, lässt sich auf die Formel "gut gebauter Highlander beglückt unerfahrene Studentin" reduzieren. Das ist Weichspülerpornografie, bei der man die Seiten mit der spärlichen Handlung getrost überblättern kann, um sich auf das Wesentliche des Romans zu konzentrieren. Vorgelesen auf zehn CDs wirkt "Der dunkle Highlander" - so sehr sich die Sprecherin auch bemüht - bestenfalls erheiternd oder als gute Einschlafhilfe.


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veröffentlicht auf buchwurm.info, 2008
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