In der anglo-amerikanischen Schule lernen Kinder aus 70 Nationen
Nahezu im Zentrum und doch von den meisten Passanten unbemerkt, liegt die Anglo-Amerikanische Schule von St. Petersburg. In der Nähe des Kreuzers Aurora treffen sich fast jeden Morgen knapp 80 Mädchen und Jungen aus 70 Nationen. Auch wenn vom Kindergarten bis zum Abitur alle Altersstufen vertreten sind, gleicht die Empfangshalle eher einem Großraumbüro: Zwei Briten tauschen mit einer Koreanerin die Hausaufgaben und das Kind deutscher Eltern wechselt eilig an der Seite seiner schwedischen und dänischen Freunde den Klassenraum.
"Die meisten unserer Schüler sind Inder und US-Amerikaner", erzählt Nancy Hoppe. Meist seien deren Eltern geschäftlich hier oder arbeiten in einem der Konsulate. "Alle sind das Leben in einer multinationalen Gemeinschaft gewöhnt", unterstreicht die engagierte Frau. Dass kein einziges russisches Kind hier lernt, liegt am Grundprinzip der Einrichtung: Bedingung zur Aufnahme ist der ausländische Pass der Eltern.
Die Bildungseinrichtung am Newaufer wird von der zentralen anglo-amerikanischen Schule in Moskau verwaltet. Auch wenn sie sich am britischen und amerikanischen Lehrstoff orientiert, begreife sie sich als unabhängig. Finanziert wird sie allein durch Gebühren, die im Jahr bis zu 14.000 US-Dollar pro Schüler betragen. Verantwortlich für die Geistesschmiede sind die Botschaften der USA, Großbritaniens und Kanadas. Direktorin Nancy Hoppe assistiert ein lokales Komitee, in dem auch die Eltern über Probleme oder Veränderungen im Schulalltag entscheiden.
Auchwenn die Schule klein ist, bereut es Nancy Hoppe nicht, in Russland zu arbeiten. "Ich liebe die Herausforderung und mag weniger bereiste Länder. Petersburg hat seinen ganz persönlichen Reiz.", erklärt sie ihren Entschluss. Die Amerikanerin mit dem sympathischen Lächeln hat selbst keine Kinder. In den letzten Jahren hat sie unter anderem in Afrika und in Polen gearbeitet. Im Gegensatz zu ihren Schülern, die ab dem Kindergarten Russisch lernen, lasse ihr der Beruf wenig Zeit, über elementare Grundkenntnisse hinaszugelangen, bedauert sie. Doch unterrichtet wird in ihren Räumen sowieso nur auf Englisch.
St. Petersburger Zeitung, Dezember 2002
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